„Heast woch auf!“
„Che cosa?“
„Wous host g’sagt?“
„Che cosa? Was ist los?“
„G’schnoacht host. Die gaunze Foahrt. Mir san do. Jetzt muasst aussteigen.“
„Wo? Wo sind wir?“
„In Hausmannstätten bei der Apothek’n.“
„Was machen wir da?“
„Mei letzte Lieferung. Des woar’s. I bin miad. I woar jo heit in der Fruah scho in der Linden Apotheke unten in Leibnitz, bevor i auffe nach Wolfsberg g’foahrn bin. Jetzt geht‘s ham.“
„Wohin?“
„Unterpremstätten.“
„Ich muss nach Wien …“
„Wüllst, doss di i aufe zur Autobahnstation bring? Do kaunnst autostoppn.“
„Si. Perfavore …“
„Du redst dauernd Italienisch und Deitsch. Wous bist Du eigentlich für ana?“
„Ich hab‘ eine Wiener Mutter und einen italienischen Vater.“
„A Mischkulanz souzusogn …“
Aussteigen bei der Tankstelle der Autobahnstation, ein gemurmeltes „Grazie …“ und „Ciao …“. Schlaftrunken in den Shop wanken. Ein doppelter Espresso und eine Leberkässemmel wirken Wunder. Lebensgeister kehren zurück. Leberkäse… eine Kindheitserinnerung. Wunderbar! Wunderbar ist auch das WC der Tankstelle. Sauber, blitzsauber. Hände und Gesicht waschen. Die Kopfwunde brennt höllisch. Blut pocht. Porca miseria! Möglichst rasch nach Wien. Zu den Verwandten. Und zu einem Arzt. Eine Leberkässemmel und einen Espresso später kommt ein LKW-Fahrer ins Bistro. Bestellt einen Coffee to go. Lässt sich eine Wurstsemmel einpacken. Hingehen, räuspern, fragen:
„Ich muss nach Wien. Kann ich mitfahren?“
Skeptischer Blick. Sein Kopfverband. Nicht vertrauenserweckend.
„Ich bin auf den Kopf gefallen …“
Der skeptische Blick weicht einem breiten Grinser und der lakonischen Antwort: „Dass das einmal einer zugibt …“
„Kann ich mitfahren?“
Schulterzucken. Noch immer leichtes Grinsen. Schließlich ein Nicken.
„Von mir aus … Aber nur bis Wiener Neudorf. Dort muss ich abladen.“
„Wiener Neudorf?
„Industriezentrum Niederösterreich Süd. Weißt eh …“
Raus aus dem Tankstellenshop. Schwere Tropfen klatschen auf den Asphalt.
„Komm, zah an! Es wird gleich schütten.“
Zu einem Volvo Truck rennen, auf der Beifahrerseite ins Führerhaus klettern. Tür zu. Erleichterung. Motor startet. Wütende Regenfluten trommeln aufs Führerhausdach und auf die Windschutzscheibe. Scheibenwischer beginnen im monotonen Rhythmus ihre Bahnen zu ziehen. Beruhigendes Geräusch. Beschissene Sicht. Truck rollte hinaus auf die Autobahn. Wasserfontänen. Grau in grau. Nebelschlußleuchten wie rote Glühwürmchen. Motor brummt gleichmäßig. Es riecht nach Espresso und Wurst. Ins Eck kuscheln und einnicken. Alles schwarz. Irgendwann langsames Aufwachen. Wo bin ich? Augen öffnen. Scheibenwischer fegen rhythmisch über die Windschutzscheibe. Draußen Nacht. Autobahn. Ein Abfahrtshinweis: Klagenfurt-Wörthersee. Hellwach. Panik.
„Wo fährst Du hin?“
Keine Reaktion des Truckers. Dafür Geräusche in der Schlafkoje des Trucks. Rasche Bewegung hinter ihm. Etwas Kaltes um den Hals. Drahtschlinge zieht sich zu. Würgen. Röcheln. Plötzlich das Gorillagesicht schräg neben ihm. Stinkender Atem. Verzweifeltes Aufbäumen. Umdrehen. Faustschlag in die Gorillafresse. Schlinge lockert sich. Losreißen. Trucker fährt ungerührt weiter. Haarige Gorillapranken schnappen Drahtschlinge, ziehen erneut zu. Hassverzerrtes Gorillagesicht. Schlinge immer enger. Nach Luft ringen. Wild um sich schlagen.
„Hey! Hör sofort auf! Bist narrisch?“
Aufwachen. An der eigenen Spucke verschlucken. Hustenanfall. Griff zum Hals. Keine Schlinge. Nichts.
„Was ist denn los? Du schlagst wie a Narrischer um dich.“
„Mi scusi … ho fatto un incubo.“
Misstrauischer Blick des Truckers.
„Was sagst?“
„T’schuldigung … hab‘ vergessen, dass ich in Österreich bin. Lebe in Italien.“
„Was willst in Wien?“
„Meinen Onkel Ferry und meine Tante Mizzi besuchen. Hab‘ gerade einen grauenhaften Albtraum gehabt.“
„Hast Fieber?“
„Weiß nicht … forse …“
Griff in eine Tasche neben dem Fahrersitz. Trucker holt einen Blister mit Tabletten heraus.
„Da! Mexalen. Nimm zwei. Die sind gegen Fieber und Schmerzen.“
Er nimmt den Blister. Drückt zwei Tabletten heraus. Ab in den Mund. Runterschlucken. Würgen. Schlucken. Unten.
„Grazie. Danke.“
Truck wird langsamer. Abfahren von der Autobahn.
„Wo sind wir?“
„Wiener Neudorf, Industriegebiet Niederösterreich-Süd. Wo willst aussteigen?“
„Keine Ahnung …“
„Gleich ums Eck, wo ich ablade, ist ein Hotel. Da setz ich dich ab.“
Warten bei einer roten Ampel. Besorgter Blick vom Trucker, der dann brummt: „Geh ins Hotel. Eine Apotheke ist auch in dem Gebäude. Wieneu heißt die. Heut‘ hat’s sicher schon zu. Morgen kannst dich dort eindecken mit allem, was du brauchst. Alles unter einem Dach …“