Als die Polizisten die team santé linden apotheke in Leibnitz betraten, ahnte Regina Kappein, dass die beiden nicht zu einem Beratungsgespräch kamen. Obwohl dem Jüngeren ein Gespräch über die Kräftigung seines Immunsystems nicht geschadet hätte. Ihr geschulter Blick fixierte sofort die gerötete Nase. Mit dem Herbst kam nun einmal auch die Erkältung. Doch richtige Ernährung half, die körpereigenen Abwehrkräfte zu mobilisieren. Ernährungsberatung war neben Wellness und Raucherentwöhnung ein Spezialgebiet ihrer Apotheke und ihre Kunden schätzten die Ernährungstipps für den Herbst.
„Frau Magister Kappein“, wandte sich der ältere Polizist an die Leiterin der Apotheke. „Könnten wir Sie einen Moment sprechen?“
„Ist etwas passiert?“ Augenblicklich erschien vor ihrem inneren Auge ein Unfallszenario mit ihrer Familie. Sie bat die Polizisten in den hinteren Teil der Apotheke. Dort erzählten sie eine ungeheuerliche Geschichte. Eine ältere Dame sei tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Zuvor habe sie einen Gesundheitsberater der team santé linden apotheke in die Wohnung gelassen. Das habe eine Nachbarin ausgesagt, die kurz zuvor mit dem Opfer telefoniert hatte.
„Eine Visitenkarte, die am Tatort gefunden wurde, bestätigt die Aussage“, meinte der jüngere Polizist und überreichte ihr die Karte. Das Logo der team santé apotheken mit den bunten Kreisen symbolisierte Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Stärke und soziale Kompetenz. Es traf sie mitten ins Herz, dass dieses Symbol missbraucht worden war.
„E. Fox“, las sie laut.
„Ich kenne niemanden mit diesem Namen und ein Mitarbeiter meiner Apotheke ist er sicher nicht. Wir klingeln nicht an fremden Haustüren.“
„Jedenfalls muss er sich mit dieser Lüge Zutritt zur Wohnung verschafft haben und dann hat er die alte Dame erschlagen und ausgeraubt.“ Der ältere Polizist zeigte ihr ein Foto des Opfers. Regina Kappein schüttelte den Kopf. Sie war seit über 20 Jahren Apothekerin, kannte ihre Kunden, doch dieses Gesicht war ihr fremd. Der junge Ermittler kramte ein Taschentuch aus seiner Uniformjacke hervor und schnäuzte sich. Jetzt konnte Regina Kappein sich nicht mehr zurückhalten.
„Sie müssen Ihre Abwehrkräfte stärken. Das gelingt mit Spurenelementen wie Selen, Zink und Eisen. Essen Sie zu dieser Jahreszeit vermehrt Fisch, Gemüse, Vollkornprodukte, Rindfleisch, Milch und Milchprodukte.“ Sie klickte sich auf die Homepage der team santé apotheken. „Mein Kollege Gerhard Fischler von der team santé apotheke wieneu in Wiener Neudorf hat ein Rezept für einen Immundrink auf die Seite gestellt. Eine Mischung aus Orangensaft, grünem Tee, Sanddornsaft, Honig und Molke. Wenn Sie den zum Frühstück trinken, tun Sie Ihrem Körper einen Gefallen, glauben Sie mir.“ Sie druckte das Rezept aus und überreichte es dem Polizisten. Dann fragte sie nach dem Namen des Opfers. „Ich möchte der Familie mein Beileid aussprechen.“
„Herta Stemmer. Ihr Sohn Ludwig lebt mit seiner Familie in Wolfsberg. Er ist auf dem Weg hierher. Die Nachbarin und ihr Mann kümmerten sich um sie. Horst und Tanja Klein“, las er von einem kleinen Block ab.
„Tanja Klein“, erschrak die Apothekerin. „Die war heute Morgen doch noch bei mir zur Ernährungsberatung.“
„Wann genau?“
„Von halb zehn bis halb elf. Aber ein Gesundheitsberater, sagen Sie. Das erinnert mich an ein Ereignis vor einem halben Jahr. Charlotte Wekon, die Leiterin der team santé paulus apotheke auf der Landstraßer Hauptstraße in Wien bekam damals einen Anruf von einer Stammkundin. Sie meinte, ein Gesundheitsberater stehe vor der Tür. Er solle ihr Medikamente gegen Wechselbeschwerden vorbeibringen. Zum Glück ließ sich die Kundin wenige Stunden zuvor von meiner Kollegin wegen diesbezüglicher Beschwerden beraten und war deshalb misstrauisch geworden. Meine Kollegin riet ihr zu einer ausgewogenen Ernährung mit Obst und Gemüse und viel Bewegung und Ausgleichsport. Zudem sollte sie täglich mindestens 1,5 Gramm Kalzium zu sich nehmen, um dem Knochenabbau entgegenzuwirken“, erklärte Regina Kappein. „Von Medikamenten in dem Sinn war nie die Rede. Die Frau rief die Polizei. Der Mann war natürlich inzwischen über alle Berge.“
„Möglich, dass er deshalb bis heute stillgehalten hat“, sinnierte der ältere Ermittler. „Wir werden jedenfalls einen Aufruf in den Medien veranlassen und Sie warnen bitte Ihre Kunden und Ihre Kollegen. Wir lassen uns inzwischen den Akt aus Wien kommen, vielleicht gibt es eine Täterbeschreibung.“
Der junge Polizist nahm die Visitenkarte wieder an sich. „Beweismaterial.“
Als die Polizisten gegangen waren, galt Regina Kappeins erster Anruf der team santé-Zentrale in Wolfsberg. Dort versprach man, alle Leiter der 10 team santé apotheken augenblicklich zu informieren. Als sie das Telefonat beendet hatte, betrat ein Mann mittleren Alters die Apotheke. Er fragte nach der Leiterin. Regina Kappein stellte sich ihm vor. Er sah sie wütend an.
„Was hat meine Mutter mit Ihrer Apotheke zu tun?“
Obwohl sich Mag. Kappein über das grobe Auftreten des Mannes ärgerte, streckte sie ihm freundlich lächelnd die Hand entgegen und nannte ihren Namen. „Und wer sind Sie?“
„Ludwig Stemmer.“
Das hatte sich die Apothekerin zwar bereits gedacht, dennoch war sie überrascht, dass der Sohn des Opfers schon auftauchte. Immerhin wohnte er in Wolfsberg. „Sie waren schnell.“
„Ich war schon fast in Leibnitz, als mich die Nachricht der Polizei überraschte. Ich wollte meiner Mutter den Vitamin-Cocktail vorbeibringen, den ich immer vor Winterbeginn in der team santé activia apotheke in Wolfsberg zusammenstellen lasse. Er besteht aus B-Vitaminen, Folsäure, Magnesium zur Stärkung von Muskeln und Herz, sowie Zink zur Stimulierung des Immunsystems“, zählte er auf, als müsse er die Apothekerin beraten. Dann senkte er die Stimme. „Zudem habe ich mich zum Thema 'Gesunder Darm' beraten lassen. Ich bin Vertreter, sitze viel im Auto … Sie verstehen? Zu wenig Bewegung, unregelmäßiges, ungesundes Essen und so...“
Regina Kappein sah in Gedanken Ida Larbir in Wolfsberg vor sich. Das fröhliche Lachen der jungen Apothekerin mit den langen braunen Haaren war wie ein Markenzeichen.
„Es ist gut, auf den Darm zu achten. Er ist das größte Immunorgan im Körper. Über 70 Prozent der Abwehrzellen sind hier angesiedelt.“ Dann erklärte sie dem Mann, dass der Gesundheitsberater, der seine Mutter getötet hatte, ein Schwindler sei. Ihre Kollegen der team santé apotheken waren informiert und warnten die Kunden. Stemmer griff sich mit der Hand an die Lippe, wo sich deutlich eine Fieberblase abzeichnete. „Nicht das Bläschen berühren. Pflegen Sie Ihre Lippen, damit sie nicht rau und rissig werden und waschen Sie sich oft die Hände, das hilft“, gab ihm Regina Kappein wertvolle Tipps. Als Ludwig Stemmer gegangen war, rief sie ihre Kollegin in Wolfsberg an. Ida Larbir bestätigte ihr seine Geschichte und erwähnte, dass er für einen Weingroßhändler arbeite. Zwei Stunden später betrat Tanja Klein die Apotheke und steuerte direkt auf Regina Kappein zu.
„Ich hab gehört, die Polizei war schon da. Wer fällt denn überhaupt auf so einen Schwindler rein? Das ist mir unverständlich. Aber stellen Sie sich vor! Ich hab die Tote gefunden.“ Sie griff sich theatralisch ans Herz und Regina Kappein instinktiv nach Baldriandragees. „Ich geh doch regemäßig für die Frau Stemmer einkaufen. Ihr Sohn kümmert sich doch nicht, derweil liegt Wolfsberg nicht so weit weg.“
„Er war heute in meiner Apotheke. Er meinte… “
„Echt?“, unterbrach Frau Klein. „Na klar. Jetzt ist er da, wo’s etwas zu erben gibt. Aber früher…“
„Erben?“, fragte Regina Kappein.
„Die Eigentumswohnung ist einiges wert… Und das ganze Geld, das sie in der Wohnung versteckt hat. Die Frau Stemmer war ziemlich misstrauisch. Sie hat nichts auf die Bank gebracht. Und jetzt ist es weg, das Geld. Da wird er schauen, der Herr Sohn.“ Sie reichte Regina Kappein ein Rezept.
„Eigentlich wäre ich heute nicht mehr gekommen. Ich hab ja einen Schock. Aber mein Mann… Sie wissen ja.“
Ja, Regina Kappein wusste Bescheid. Horst Klein trank gerne und viel, litt in Folge unter dem einen oder anderen Wehwehchen.
„Ach, wenn ich schon einmal da bin, meine Freundin leidet im Winter immer unter trockener Haut. Sie hat bald Geburtstag. Sie können mir da sicher ein nettes Geschenk zusammenstellen.“
„Schenken Sie Ihrer Freundin doch einen Gutschein für eine Hautanalyse bei uns. Dann können wir die Pflegeprodukte perfekt auf sie abstimmen.“
„Das ist eine gute Idee. Verpacken S‘ mir den Gutschein aber schön.“
Als die Frau ging, reichte eine der Mitarbeiterinnen Regina Kappein eine Tasse Kräutertee. „Ich glaub, den brauchst jetzt.“
Am nächsten Tag konnte die Polizei einen ersten Erfolg verbuchen, obwohl es aus Wien keine Täterbeschreibung gab. Doch aufgrund des Medienaufrufs meldeten sich zwei Frauen. Bei ihnen stand ebenfalls ein Gesundheitsberater vor der Tür und hatte eine Visitenkarte mit dem Apotheken-Logo darauf überreicht. In Klagenfurt gab er sich als Harry Haumer, Leiter der team santé obelisk apotheke aus, und in Villach als Jung-Apotheker der team santé obere apotheke.
„Sein Ausbildner Dr. Kurt Scheimar schickte ihn angeblich“, informierte man Mag. Kappein. „Der Täter muss wissen, dass Dr. Scheimar als Ausbildner für Jung-Apotheker, Prüfer und Lehrbeauftragter der Universität Innsbruck tätig ist“, erklärte sie dem Polizisten am Telefon. Damit war eindeutig bewiesen: Der Unbekannte missbrauchte ausschließlich die team santé apotheken für seine Gaunereien. Ein Mann, der ohne im Freundeskreis Aufsehen zu erregen, von einem Ort zum nächsten reisen konnte. Ein Vertreter.
„Einer Dame fehlte daraufhin die Geldbörse. Die lag im Vorraum. Natürlich erstattete sie Anzeige, doch bisher fehlte jede Spur.“ Danach rief Renate Kappein noch einmal in der Zentrale in Wolfsberg an. Sie hatte eine Idee und bat darum, ein Treffen aller Leiter der insgesamt zehn team santé apotheken zu organisieren.
Sie hatten für das Treffen in Leibnitz zwei Tage an-beraumt. Nils Wenkon von der team santé apotheke schwenk wollte sich via Skype dazuschalten. Seine Apotheke war die älteste Apotheke Meidlings, zudem seit 1860 in Familienbesitz, dafür bekam er eine Auszeichnung überreicht und konnte deshalb Wien nicht verlassen. Als in Regina Kappeins Büro alle einen Platz gefunden hatten, erklärte sie ihre Idee.
„Wir können gemeinsam mehr Informationen sammeln, als jeder für sich allein. Der Täter holt sich meiner Meinung nach die notwendigen Informationen von unserer Homepage. Zudem sucht er vor der Tat jene Apotheke auf, deren Namen er danach bei einem unserer Kunden missbraucht.“
Harry Haumer von der team santé obelisk apotheke in Klagenfurt sprach aus, was alle dachten: „Du meinst, er spioniert uns aus.“
Regina Kappein nickte. „Es gibt Menschen, die bereitwillig ihr Krankheitsbild vor Fremden ausbreiteten. Weiß er einmal, worüber sie mit uns sprechen, hat er damit einen möglichen Türöffner. Wir wissen, dass die Medikamente, die er vermeintlich überbringen sollte oder das Beratungsgespräch etwas mit dem Opfern zu tun hatten.“ Sie zählte die Anhaltspunkte an den Fingern ab. „Wechselbeschwerden und Medikamentenübergabe. Frau Stemmer litt unter Fußpilz. Der vermeintliche Gesundheitsberater wollte ihr das von mir empfohlene Spezialwaschmittel gegen Pilzsporen bringen. Sie wollte im Frühling unbedingt schöne Füße haben, deshalb hat sie meine Tipps genau befolgt. Die Polizei fand das Waschmittel am Tatort. Also, überlegt einmal! Wurden euch in den letzten Monaten ungewöhnliche Fragen gestellt. Von wem auch immer. Oder hat sich jemand eingehender über etwas erkundigt?“
„Du denkst, dass Wien, Leibnitz, Villach und Klagenfurt erst der Beginn einer Serie ist“, stellte Friedericke Dorfmann-Petter der team santé apotheke hausmannstätten erschrocken fest.
„Mein Gott, man berät so viele Menschen, denkt man doch nicht daran, ausspioniert zu werden“, sagte Wolf Fischler von der team santé germania apotheke in Wien, obwohl gerade er als leidenschaftlicher Fotograf ein gutes Auge für Details hatte, die auf den ersten Blick oftmals irrelevant erschienen. Ida Larbir runzelte die Stirn.
„Ludwig Stemmer kam mir bei einem Besuch besonders nervös vor. Er fragte nach geeigneten Entschlackungsmitteln, um seinen Körper zu entgiften. Als ich ihm erklärte, dass etwa die Vitamine B2 und B3 diesbezüglich äußerst dienlich sind, diese beispielsweise in Hefe, Weizenkleie, Huhn oder Rindfleisch vorkämen, hat er mir nicht zugehört. Meinen Rat, zumindest zwei Liter Wasser oder Kräutertee zu trinken und sich zu bewegen, weil er doch zudem ein bisschen Übergewicht hat, ignorierte er vollends. Vielmehr wollte er wissen, ob es Lebensmittel gäbe, die dem Körper im Laufe der Zeit Schaden zufügen oder zum Tod führen könnten, weil sie etwa durch Umweltgifte schwer belastet seien.“
„Du meinst, er wollte seine Mutter durch toxische Schadstoffe töten, die er den Lebensmitteln zu-führt?“, führte Charlotte Wekon von der team santé paulus apotheke in Wien den Gedanken ihrer Kollegin fort.
Ida Larbir zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Jedenfalls kamen mir die Frage und sein Verhalten merkwürdig vor und wie wir wissen, wurde Frau Stemmer nicht vergiftet.“
„Zudem funktioniert das so nicht“, meinte Kurt Scheimar von der team santé obere apotheke in Villach. „Die Nachbarn kümmerten sich doch um Hedwig Stemmer. Die beiden hätten sicher einen Arzt geholt, wenn sie Vergiftungserscheinungen bemerkt hätten.“
„Außer, der Sohn wäre extra zu seiner Mutter gezogen, um sich vordergründig um ihre Gesundheit zu kümmern“, widersprach Gerhard Fischler von der team santé apotheke in Wiener Neudorf.
„Ja“, bestätigte Regina Kappein. „Doch Tanja und Horst Klein hätten garantiert dennoch weiterhin ein Auge auf die alte Dame gehabt. Außerdem wurde, wie Ida schon sagte, die Dame nicht vergiftet. Aber wenn sich tatsächlich Ludwig Stemmer hinter dem falschen Gesundheitsberater verbirgt, erklärt das, dass Hedwig Stemmers Tod einkalkuliert war. Sie hätte ihren Sohn entlarven können“, grübelte Regina Kappein. „Die anderen Opfer kannten ihn ja nicht. Doch dort zog er einmal erfolgslos ab und das andere Mal stahl er nur die Geldtasche. Seine Mutter bunkerte viel Geld in der Wohnung. Also täuscht er auch bei ihr den Besuch eines Gesundheitsberaters vor. Er weiß von ihrem Fußpilz-Problem und dem Spezialwaschmittel. Sie öffnet, er schlägt zu.“
„Und die Polizei tippt sofort auf den vermeintlichen Gesundheitsberater“, führte Charlotte Wenkon erneut den Gedanken zu Ende.
Sie diskutierten noch eine ganze Weile, bis sie sich im Kreis drehten. „Lassen wir’s gut sein. Morgen ist auch noch ein Tag“, schlug der Leiter der team santé barbara apotheke Tom Kaner vor und forderte sie zugleich auf, einen Spaziergang zu unternehmen. „Frische Luft bringt Sauerstoff in unseren Körper und regt den Kreislauf an und sicher bringt die Bewegung uns auch klare Gedanken zu dem Fall.“
Am nächsten Morgen versammelten sich die Leiter der team santé apotheken in Regina Kappeins Büro. Nils Wekon von der team santé apotheke schwenk schaltete sich via Skype dazu. Die anderen gaben abwechselnd detailliert den Stand der Dinge an ihn weiter.
„Ludwig Stemmer ist zwar verdächtig, weil die betroffenen Apotheken Wolfsberg, Villach und Klagenfurt in seiner zuständigen Vertreter-Region liegen, doch sicher sind wir uns nicht, dass er etwas mit den Überfällen und dem Mord zu tun hat“, beendete Ida Larbir von der team santé activa apotheke den Bericht.
„Ihr denkt, der Täter kundschaftet unsere jeweiligen Spezialgebiete aus, belauscht uns und unsere Kunden und wählt dann ein Opfer aus?“, fasste Nils Wekon in fragendem Tonfall zusammen.
„Genau“, bestätigte Regina Kappein. „Er könnte dich etwa zum richtigen Umgang mit UV-Strahlen befragen, um Sonnenschäden zu vermeiden ...“
„Mit dem Wissen, dass sich nach einem Sonnenbrand mehr als 40 Pigmentmale entwickeln und mehr als 50 Muttermale bereits als Risikofaktor für schwarzen Hautkrebs gelten, kann er zum Glück niemanden töten“, unterbrach Wekon.
„Die Frage wäre ja nur ein Vorwand. Während du erklärst, wählt er ein potentielles Opfer aus. Mit der Behauptung, in deinem Namen etwa ein passendes Sonnenschutzmittel vorbeizubringen, verschafft er sich Zutritt zur Wohnung seines Opfers“, mengte sich Charlotte Wekon von der team santé paulus apotheke erklärend ein.
„Niemand ist so unvorsichtig, deshalb einen Fremden reinzulassen“, behauptete Nils Wekon.
„Lassen wir’s nicht drauf ankommen“, sagte Wolf Fischler von der team santé germania apotheke.
„Überlegen wir lieber, welche Beratungsgespräche wir in letzter Zeit führten“, schlug Tom Kaner von der team santé barbara apotheke vor. „Bei mir waren Liebe und Sexualität ein starkes Thema. Von Verhütung, über Potenzproblemen bis hin zur Scheidentrockenheit in den Wechseljahren.“
Die anderen erzählten von Gesprächen über Verbrennungen beim Grillen, sowie hilfreichen Informationen nach Zecken- und Insektenstichen. Aber auch die Wirkung der unterschiedlichen Gewürze für den Grillabend war der Jahreszeit entsprechend Thema.
„So kommen wir nicht weiter“, meinte Wolf Fischler nach geraumer Zeit. „Konzentrieren wir uns doch auf die Visitenkarten, die man bei den Opfern fand.“
Einmal missbrauchte er Harry Haumers Namen von der team santé obelisk apotheke. Dann gab er sich als Jung-Apotheker mit einem typisch österreichischen Familiennamen aus. Exotisch erschien jener, den er bei dem Mordopfer in Leibnitz verwendete.
„E. Fox.“, las Regina Kappein laut von der Visitenkarte ab.
„Fuchs“, sprach Gerhard Fischler von der team santé apotheke wieneu den Tiernamen auf Deutsch aus.
Sein Schwager Wolf Fischler meinte, dass es auch ein Anagramm sein könnte. Friedericke Dorfmann-Petter von der team santé apotheke hausmannstätten dachte auf die für sie typisch ruhige Art nach. Sie schob in Gedanken die Buchstaben von der Visitenkarte hin und her. „Das heißt Xefo“, sagte sie schließlich. „Das rezeptpflichtiges Mittel gegen Gicht?“, schallte ihr von den anderen überrascht entgegen.
„Dann lasst uns in den Unterlagen nachsehen, wer im letzten Jahr dafür ein Rezept eingelöst hat“, schlug Harry Haumer vor.
Sie telefonierten zeitgleich mit ihren Mitarbeitern und Charlotte Wekon mit einer ihrer zwei Schwestern, die in ihrer Apotheke in Wien arbeiteten. Eine Stunde später lag das Ergebnis auf dem Tisch. Nur eine Person hatte in mehreren team santé apotheken dieses Rezept eingelöst.
Regina Kappein griff zum Telefon. Eine halbe Stunde später betraten zwei Polizisten die Apotheke. Sie informierte die Ermittler, wie sie zu dem Ergebnis gekommen waren.
„Horst Klein und Ludwig Stemmer arbeiteten bei demselben Weingroßhändler“, begann sie. „Horst Klein leidet seit Jahren unter Gicht. Aufgrund seines Jobs hat er die Rezepte in unterschiedlichen team santé apotheken eingelöst. Vergleichen Sie die Daten und Sie werden sehen, dass Horst Klein am Tag des Verbrechens in der jeweiligen Stadt des Vergehens war. An dem Tag, als Hedwig Stemmer ermordet wurde, hatte seine Frau vormittags einen Beratungstermin in meiner Apotheke und nachmittags löste sie das Rezept für ihren Mann ein“, endete Regina Kappein.
Noch am gleichen Abend erfuhren sie, dass Horst Klein die Tat zuerst abgestritten und schließlich doch gestanden hatte. Der Ermittler informierte die Apotheker, wie Klein auf die Idee gekommen war. „Nachdem er gekündigt worden war, weil er mehr Wein trank, als er verkaufte, wollte Ludwig Stemmer seinen Kollegen aufmuntern und meinte: Wirst halt Gesundheitsberater. Dieser lapidar hingeworfene Satz war der Auslöser.“ Der Polizist bedankte sich für den Hinweis, der zur Ergreifung des Täters geführt hatte. Die Apotheker zeigten sich darüber erleichtert, dass die schreckliche Geschichte nun ein Ende hatte.