Was bisher geschah: Tommy und Michi finden nach Überfällen auf steirische Apotheken der Team Santé Gruppe Unterschlupf in einer Almhütte. Sie werden dort von einem Schäfer und seinem Hund überrascht. Der Schäfer erleidet einen Herzinfarkt, als Michi den Hund, der ihn gebissen hat, erschießt. Da die Gefahr einer Blutvergiftung besteht, versuchen sie, in der Tauern Apotheke in Altenmarkt Antibiotika zu besorgen. Polizeisirenen treiben sie in die Flucht.
Teil 3:
Michis Wunde war rasch verheilt. Die Blutvergiftung hatte sich der hypochondrische Tommy nur eingebildet. Alles in allem hatten sie bei ihrem letzten Überfall auf die Team Santé Apotheke in Altenmarkt Mordsglück gehabt. Tommy hatte, bevor er aus der Apotheke geflüchtet war, noch die Registrierkasse geleert. Außerdem war die Polizei nicht hinter ihnen her gewesen, sondern zu einem schweren Verkehrsunfall gerufen worden.
Das gestohlene Wechselgeld hatte gereicht, um bis nach Wiener Neudorf zu kommen. Dort hatten sie bei einer Großtante von Tommy Unterschlupf gefunden.
Tante Inges heruntergekommenes Häuschen befand sich mitten im Industrieviertel. In unmittelbarer Nachbarschaft gab es nur einen Lebensmittel-Supermarkt, eine Tankstelle und ein Logistikzentrum. Die alte demente Frau verließ kaum mehr das Haus. Tag und Nacht hielt sie sich in ihrer geräumigen Wohnküche auf, schlief auch dort auf einer Bettbank. Michi nahm ihr Schlafzimmer im ersten Stock in Beschlag. Seinem Freund überließ er das kleinere, mit Gerümpel vollgestopfte, Nebenzimmer.
Tommy sorgte dafür, dass seine Großtante von ihrem Arzt Xanor verschrieben bekam. Michi klaute ihren Schmuck, verscherbelte ihn in Wien und deckte sich mit Koks und Substitol am Schwarzmarkt ein.
Da Tante Inge Stammkundin der Team Santé Apotheke Wieneu war, blieb Tommy
nichts anderes übrig, als dort mehrmals Medikamente für sie abzuholen. Er befürchtete, bei einem Überfall erkannt zu werden, und schlug Michi vor, statt der Apotheke Wieneu, die Salvator Apotheke in Eisenstadt zu überfallen.
Am Faschingsdienstag besorgten sie sich bei einem Kostümverleih Cowboyhüte, Westernstiefel und Satteltaschen. Nachmittags brachen sie in die burgenländische Landeshauptstadt auf. Während der Fahrt zog sich Michi eine Line Koks rein. Tommy schluckte zur Beruhigung ein zweites Xanor.
„I am from Austria…“ dröhnte durch die Eisenstädter Hauptstraße. In der
Fußgängerzone herrschte närrisches Treiben. Unter den Maskierten
befanden sich auch viele Kinder. Es wimmelte nur so von Superhelden und
Eisköniginnen.
Die beiden Cowboys drängten sich durch die Menschenmassen. Köstlicher Duft von frischen Krapfen vermischt mit Alkoholgestank stieg Tommy in die Nase. Er musste niesen.
„Ich habe mich verkühlt“, jammerte er und bedeckte Nase und Mund mit einem
schwarzen Tuch.
„Weichei“, zischte Michi, band sich aber ebenfalls ein schwarzes Tüchlein um.
Kurz vor achtzehn Uhr dreißig war in der Salvator Apotheke nicht mehr viel los. Eine junge pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin begleitete gerade einen gebrechlichen alten Herrn zur Tür.
„Hände hoch! Das ist ein Überfall“, schrie Michi und fuchtelte mit seiner Pistole herum.
Nach einer Schrecksekunde brach Gelächter aus. Die Angestellten schienen den Überfall für einen Faschingsscherz zu halten.
Michi stieß den alten Mann zu Boden, schnappte sich das Mädchen und hielt ihr die Mündung seiner Waffe an die Schläfe.
„Wenn ihr nicht sofort mit dem Zeug rausrückt, knall ich sie ab!“
Tommy reichte einer Pharmazeutin seinen Wunschzettel. Die Liste war lang. Außer Xanor und Substitol hatte er auch Schmerzmittel mit hohem Suchtpotential, wie Hydal, Oxycodin und Fentanyl-Pflaster draufgeschrieben.
Tommy wunderte sich, dass seine Hände nicht zitterten, als er die erbeuteten Medikamente in die Satteltaschen stopfte. Auf Xanor schien eben wie immer Verlass zu sein.
Die Geisel verhielt sich ruhig, gab keinen Laut von sich. Michis Pistolenlauf drückte auf ihre Rippen, als sie zu dritt die Salvator Apotheke verließen.
Sobald sie im Freien waren, rastete der zugekokste Michi jedoch aus und begann herumzuballern.
Eine Kugel traf mitten ins Herz eines Team Santé Logos am Schaufenster, zerfetzte die kleine weiße Ablage mit der Schale. Sein zweiter Schuss verfehlte den angedeuteten Aesculap-Stab in dem roten Quadrat mit der weißen Linie, die ein Kreuz darstellte, nur um einige Millimeter.
Die junge Frau versuchte zurück in die Apotheke zu flüchten. Tommy wollte sie laufen lassen. Doch Michi packte sie um die Taille und zerrte sie zu seinem Wagen, den er in einer Seitengasse geparkt hatte.
Die Betrunkenen an den Glühweinständen prosteten dem wildgewordenen Cowboy zu.
Ehe sich noch jemand einmischen konnte, fuhren Michi und Tommy mit ihrer Geisel los.
Michi saß hinten und hielt das Mädchen am Beifahrersitz mit seiner Pistole in Schach.
Als sie die Ortstafel hinter sich gelassen hatten, schrie er „Bingo“ und riss sich das schwarze Tuch vom Gesicht.
„Blödmann! Binde es sofort wieder um“, fauchte Tommy.
Seine Beifahrerin drehte sich nach dem Verrückten um.
„Verdammt, sie hat dich gesehen“, fluchte Tommy.
„Macht nichts. Wir erschießen sie sowieso“, verkündete Michi fröhlich.
„Und was macht ihr mit meiner Leiche“, fragte das Mädchen.
„Die werfen wir in irgendeinen Baggersee.“
„Halt´s Maul, du Idiot! Niemand wird erschossen.“
Tommy schenkte ihr einen beruhigenden Blick. Er fand die Kleine mega cool.
Als ein Baggersee in Sicht kam, verlangsamte er jedoch das Tempo.