Eine Apotheke der team santé-Gruppe

Süchtig - ein Krimi von Edith Kneifl Teil 1

„Santé!“ Tommy leerte sein Seidel in einem Zug.

„Hast du heute frei?“, fragte Michi.

„Gefeuert haben Sie mich. Und Emma hat Schluss mit mir gemacht. Alles nur wegen einer Packung Xanor und einem blöden Sonnenschutzmittel, das ich zu zahlen vergessen habe.“

„Weiber“, brummte der Barkeeper. „Diese Super-Braut hat sich schon lange nicht mehr bei mir blicken lassen.“

„Sie mag keine Junkies“, murmelte Tommy. Er war zweimal nach der Arbeit mit seiner Kollegin bei Michi gewesen. Ihr hatte weder das heruntergekommene Lokal gefallen noch der Barkeeper, der ihr unaufgefordert seine Ganzkörper-Tätowierung gezeigt hatte.

„Wo hast du sie eigentlich aufgerissen? Sag bloß, in einer Apotheke?“

„Genauer gesagt bei einer Veranstaltung der Team Santé Apotheken. Das ist eine Gruppe von eigenständigen Apotheken, die sich locker zusammengeschlossen haben. Sie halten jährliche Treffen ab, meistens in einer Therme. Dort tauschen sie sich dann untereinander aus. Auch ich war bei ihrem letzten Meeting im Warmbad-Villach eingeladen, obwohl ich nur Praktikant in der Oberen Apotheke in Villach war. Emma arbeitet als pharmazeutisch kaufmännische Angestellte in der Obelisk Apotheke in Klagenfurt. Wegen ihr bin ich hierher übersiedelt, um in dieser Team Santé Apotheke eine Ausbildung zum PKA zu machen. Für Maturanten dauert die Lehre nur zwei Jahre. Emma hat mich voll unterstützt. Bis gestern“, seufzte er.

Tommy hatte vorher einige Semester Pharmazie in Wien studiert. Wegen seiner Prüfungsangst war er nicht recht weitergekommen. Als seine Mutter starb, brach er sein Studium ab und kehrte nach Villach zurück. 

„Willst noch ein Seidel?“, fragte Michi.

„Her damit. Ich bin total fertig, habe die halbe Nacht lang kein Auge zugetan, trotz Lexotanil.“

„Wieviel schluckst du so am Tag?“

„Normalerweise drei Xanor, ein Lexotanil, manchmal auch Diazepam und dazu Magenschoner und Vitamintabletten. Leider wollen mir die Ärzte kein Xanor mehr verschreiben. Aber ich brauche das Zeug. Panikattacken sind kein Honiglecken. Meistens geht´s los mit Herzklopfen, Atemnot und Schweißausbrüchen. Oft spüre ich auch ein lästiges Kribbeln oder ich krieg Ohrensausen und Schwindelgefühle.“

Tommy starrte in sein halbvolles Bierglas. Erinnerungen an letzten Sonntag, als er mit Emma am Wörthersee baden war, tauchten auf: Emma suchte in seinem Rucksack eine Sonnencreme. Außer der originalverpackten Sonnenmilch fand sie eine Packung Viagra aus der Obelisk Apotheke unter seinen Sachen. Tommys Reaktion machte sie misstrauisch. Er wurde kreidebleich und begann zu stottern, als sie ihn wegen der blauen Pillen aufzog. „Die…die… gehören nicht mir“, log er. Schweißperlen standen auf seiner Stirn und seine Hände zitterten. Schließlich gestand er, dass er beides in der Apotheke mitgehen hatte lassen. Seit er Xanor nahm, litt er unter Erektionsstörungen und verließ sich auf Viagra. Emma bereitete dem romantischen Ausflug ein rasches Ende. Beim Abschied verlangte sie, dass er am Montag alles bezahlen sollte.

Anstatt die leidige Geschichte am Montag zu klären, klaute Tommy eine Packung Xanor und wurde prompt vom Magister erwischt. Emma meinte, er solle dem Chef dankbar sein, dass er ihn nicht angezeigt hatte. Anschließend gab sie ihm den Laufpass. Mit einem Dieb wollte sie nichts zu tun haben.

„Die Team Santé Leute reden gerne von humanen Arbeitsbedingungen und einem freundlichen und solidarischen Umgang miteinander, sie bieten sogar Fortbildungskurse an und tauschen für eine gewisse Zeit Mitarbeiter untereinander aus. Klingt alles extra cool, oder? Aber kaum passiert einem ein kleines Missgeschick, fliegt man raus“, schimpfte Tommy.

„Du solltest dich rächen. Zeig‘s ihnen! Ich bin dabei. Auch ich habe mit Team Santé noch eine Rechnung offen.“ Michi gestikulierte wild herum, als er Tommy seinen Racheplan erklärte. Der junge Kärntner hatte bereits Knasterfahrung. Als er vom Heroin loskommen wollte, hatte er versucht, in den Wolfsberger Team Santé Apotheken Methadon zu klauen. Beim ersten Einbruch in die Activa Apotheke hatte er sich mit dem Wechselgeld in der Kasse begnügen müssen. Beim Einbruchsversuch in der Barbara Apotheke war er von einem Pharmazeuten, der Nachtdienst gehabt hatte, überrascht und überwältigt worden. Er hatte zwei Jahre aufgebrummt bekommen und im Gefängnis einen Entzug gemacht. Seither war er auf Substitol.

„Wir werden uns in anderen Team Santé Apotheken Nachschub besorgen. Substitol ist die beste Straßenwährung überhaupt. Damit können wir jede Menge Kohle machen. Rohypnol-Tabletten wären auch geil, und dein Xanor bringt‘s am Schwarzmarkt ebenfalls. Wir decken uns mit dem Stoff ein und verscherbeln, was übrigbleibt. Auf meine Walther ist Verlass. Die hat mir mal einer zugesteckt. Die Waffe war heiß.“ Er holte seine Walther PPK unter der Theke hervor und zielte auf seinen Freund.

„Keine Waffen! Ich bin Pazifist“, schrie Tommy panisch.

„Ein Überfall ohne Waffe? Wie soll das funktionieren?“

„A…A…Aber sie darf nicht geladen sein!“

„Ist sie eh nicht.“

In diesem Moment fiel ein Schuss.